Wenn Arbeitnehmer länger erkranken, stellt das den Arbeitgeber mitunter vor große Probleme. In solchen Situationen müssen Arbeitgeber bezüglich ihres Personals disponieren können. Aber: Darf der Arbeitnehmer auch, wenn er mit einer Arbeitsunfähigkeit erkrankt ist, zu einem Personalgespräch geladen werden?

Über diese Frage hatte das Bundesarbeitsgericht (BAG) jüngst zu entscheiden (BAG, Urteil vom 02.11.2016 – 10 AZR 596/15). Ein Arbeitgeber hatte einen mit Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung erkrankten Arbeitnehmer abgemahnt, weil er nicht zum Personalgespräch in der Firma erschienen war. Nach Angaben des Statistischen Bundesamtes betrug 2015 der krankheitsbedingte Ausfall deutschlandweit vier Prozent der Arbeitszeit pro Arbeitnehmer (im Vorjahr waren es noch 3,8 Prozent). Jeder Arbeitnehmer fehlte im Durchschnitt zehn Tage im Jahr, 2014 waren es noch 9,4 Tage.

Insbesondere in kleineren Hörakustikunternehmen führen Personalengpässe durch Krankheit der Mitarbeiter zu Verwerfungen. Ist der Mitarbeiter länger krank und teilt er − wozu er nicht verpflichtet ist − dem Arbeitgeber den Grund seiner Krankheit nicht mit, ist eine Zukunftsprognose sehr schwierig. Die Ungewissheit lässt nur schwerlich Personalentscheidungen zu, denn zum einen müssen neue Mitarbeiter angelernt werden, zum anderen darf es nicht zu Doppelbesetzungen einer Stelle kommen. Da die Arbeit verteilt werden muss, wirkt sich das zumindest mittelfristig auf das Betriebsklima aus. Schließlich können sich existenziellere Fragen stellen, wenn zum Beispiel ein Meister als Betriebsleiter länger erkrankt, denn das kann Verwerfungen mit der Handwerkskammer nach sich ziehen. Umso wichtiger ist dem Arbeitgeber das persönliche Gespräch, in dem er sich von der Einsatzfähigkeit des Arbeitnehmers überzeugen kann. Deshalb wäre es wünschenswert, dass der Arbeitnehmer in persönlichem Kontakt mit dem Arbeitgeber die nähere oder weitere Zukunft bespricht.

Ein seit Langem als Krankenpfleger beschäftigter Arbeitnehmer in einem Krankenhaus war längere Zeit wegen eines Arbeitsunfalles erkrankt. Nach Ende dieser Erkrankung beschäftigte das Krankenhaus den Arbeitnehmer nicht mehr als Krankenpfleger, sondern als medizinischen Dokumentationsassistenten. Im laufenden Jahr war der Arbeitnehmer bereits länger als sechs Wochen erkrankt gewesen. Der Arbeitnehmer erkrankte nun erneut.

Nach einem Monat der Erkrankung lud der Arbeitgeber den Arbeitnehmer schriftlich zu einem Personalgespräch ein. In dem Personalgespräch sollte die weitere Beschäftigungsmöglichkeit des Arbeitnehmers besprochen werden. Der Arbeitnehmer lehnte einen Besuch im Unternehmen des Arbeitgebers unter Hinweis auf seine Arbeitsunfähigkeit ab. Mit einem weiteren Schreiben lud der Arbeitgeber den Arbeitnehmer wieder zu einem Personalgespräch ein. Thema dieses Gespräches sollte erneut die Beschäftigungsmöglichkeit des Arbeitnehmers sein.

Das zweite Schreiben enthielt den Hinweis, dass der Arbeitnehmer ein „spezielles ärztliches Attest“ vorlegen müsse, falls er den Termin wiederum wegen seiner Arbeitsunfähigkeit nicht wahrnehmen wolle. Der Aufforderung zu diesem Personalgespräch kam der Arbeitnehmer ebenfalls nicht nach. Er legte auch keine von dem Arbeitgeber geforderte spezielle Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung vor. Der Arbeitgeber mahnte den Arbeitnehmer daraufhin ab. Gegen diese Abmahnung ging der Arbeitnehmer vor dem Arbeitsgericht und dem Landesarbeitsgericht vor.

Für die Praxis bedeutet das, dass auch ein Personalgespräch im Betrieb mit einem arbeitsunfähig erkrankten Arbeitnehmer nur aus betrieblichen Gründen stattfinden darf, ist es dem Arbeitgeber nicht verwehrt, dieses Gespräch an einem anderen Ort, welcher die Krankheit des Arbeitnehmers berücksichtigt − oder auch telefonisch − durchzuführen.Denn der Arbeitgeber muss schließlich eine Prognose erhalten, wann der Arbeitnehmer wieder (vollständig) leistungsfähig ist.

Kann der Arbeitnehmer auf eine entsprechende Frage des Arbeitgebers keine Prognose abgeben, ist zumindest im Kleinbetrieb eine ordentliche Kündigung möglich. Denn, so die Rechtsprechung, der Arbeitgeber muss seinen Kleinbetrieb (bis zu zehn Mitarbeitern) wirtschaftlich führen, eine Kündigung ist dann als sachlicher Grund einleuchtend. Auch der Gewerbebetrieb des Unternehmens hat gemäß Artikel 14 des Grundgesetzes (GG) (Schutz des Eigentums) eine schützenswerte Rechtsposition.

Schließlich kann der Arbeitgeber eines Kleinbetriebes kaum anders als durch ein Personalgespräch herausfinden, ob und vor allem wann der Arbeitnehmer wieder voll einsatzfähig ist. Aber auch im Bereich des Kündigungsschutzgesetzes, in dem das Ultima-Ratio-Prinzip besteht, ist ein Personalgespräch außerordentlich wichtig. Denn eine krankheitsbedingte Kündigung setzt unter anderem voraus, dass der Arbeitgeber eine sogenannte Wiedereingliederung nach dem 9. Sozialgesetzbuch (SGB IX) versucht hat.

Das betriebliche Eingliederungsmanagement, so das BAG, ist eine besondere Ausprägung des im Kündigungsschutzrecht innewohnenden Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes. Der Arbeitnehmer ist allerdings nicht verpflichtet, an einem solchen betrieblichen Eingliederungsmanagement mitzuwirken. Ist er nicht zu einer Mitwirkung verpflichtet, ist er auch nicht verpflichtet, für die Planung einer Wiedereingliederung in den Betrieb zu kommen, wenn er arbeitsunfähig erkrankt ist. Nur dann hat der Arbeitgeber jedoch alles versucht, um eine Kündigung unter Zugrundelegung des Kündigungsschutzgesetzes zu vermeiden. Der Ausspruch einer Kündigung wird dadurch wahrscheinlicher.

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