

Hörakustik: Bis vor Kurzem waren Sie Vertretungsprofessor, jetzt sind Sie regulärer Professor. Hat sich dadurch für Sie etwas geändert? Haben Sie zum Beispiel ein größeres Büro mit einer schöneren Aussicht oder sehen Ihre Eltern Sie jetzt als richtigen Professor?
Steffen Kreikemeier: Meine Eltern waren natürlich stolz und glücklich, dass das jetzt geklappt hat, aber weder für mich noch in ihrer Wahrnehmung hat sich etwas geändert. Was mein Bü-ro betrifft, habe ich zwar sowieso eine sehr schöne Aussicht, aber immer noch dasselbe. Für mich ist vieles wie zuvor geblieben, da ich quasi die gleiche Tätigkeit schon vorher ausgeübt habe.
Hörakustik: Haben Ihre Studierenden mitbekommen, dass Sie jetzt regulär an der Hochschule lehren?
Steffen Kreikemeier: Die Studierenden haben das gleich mitbekommen, als es hochschulseitig veröffentlicht wurde, und sie haben sich unglaublich gefreut. Das war für mich sehr schön.
Hörakustik: Sie waren Vertretungsprofessor für Audiotechnik und Audiologie und haben jetzt die Professur für Audiotechnik und Psychoakustik, inhaltlich hat sich da nichts geändert?
Steffen Kreikemeier: Mein Schwerpunkt liegt nun etwas mehr auf der Psychoakustik. Da Audiologie und Psychoakustik eng verwoben sind, ist der fachliche Unterschied aber nicht so groß. Und das Prozedere, sich auf die Prüfungen und Vorlesungen vorzubereiten, das kannte ich ja schon.
Hörakustik: Was macht man denn in der Psychoakustik? Die Vertonung von Horrorfilmen wird es ja nicht sein …
Steffen Kreikemeier: (lacht) Das ist eine witzige Assoziation, die Sie da haben. Tatsächlich zitiere ich in meiner Anfangsvorlesung Hitchcocks „Psycho“. Natürlich denkt man irgendwie daran, aber vor Psychoakustik braucht sich keiner zu fürchten. Das ist ein Teilgebiet der Psychophysik, in dem Zusammenhänge des menschlichen Empfindens beschrieben werden. Das heißt, ich habe ein Schallereignis und teste, wie mein Körper darauf reagiert und was er daraus macht, bis ich dann eine Wahrnehmung habe. Das erkläre ich den Studierenden in der Vorlesung, weil das bei Hörsystemen sehr wichtig ist.
Hörakustik: Sie haben kürzlich den Lehrpreis der Hochschule Aalen für beispielgebende Maßnahmen zur Verbesserung von Studium, Prüfungen und Lehre gewonnen, für den Ihre Studierenden Sie nominiert haben. Was begeistert diese an Ihrer Veranstaltung?
Steffen Kreikemeier: (lacht) Das müssen Sie theoretisch die Studierenden fragen. Aber ich versuche die Vorlesungen lebendig zu gestalten, dass die Studierenden auch Spaß dabei haben. Ich denke, Inhalte zu vermitteln und trotzdem Spaß dabei zu haben, schließen sich nicht aus. Zudem versuche ich immer Beispiele anzubringen, wie wir die Theorie in der Praxis umsetzen, sodass die Studierenden bessere Bezüge herstellen können. Ich will Inhalte nicht nur vorbeten, sondern die Studierenden anregen, aktiv Probleme anzugehen. Gerne diskutiere ich auch verschiedene Ideen und weise daraufhin, dass es bei vielen Dingen nicht nur eine Lösung und einen Lösungsweg gibt. Ich denke, die Studierenden schätzen die aktive, lustige Atmosphäre in meiner Veranstaltung.
Hörakustik: Haben Sie, bezogen auf Ihre Lehrtätigkeit, ein Vorbild, beispielsweise einen Ihrer Lehrer zu Schulzeiten?
Steffen Kreikemeier: Das kann ich jetzt erst rückblickend sagen, da es als Schüler noch nicht mein Plan war, in die Lehre zu gehen. Das kam erst später. Aber mein Physiklehrer am Gymnasium, Herr Mose, hat mich sicher-lich inspiriert. Er hat gefördert, aber auch gefordert, und den Unterricht mit Humor dargeboten. Rückblickend betrachtet hat er das sehr gut gemacht.
Hörakustik: Wenn Sie einem Kollegen einen Rat geben sollten, würden Sie ihm empfehlen, die Veranstaltung möglichst praxisnah und im Dialog mit den Studierenden zu gestalten?
Steffen Kreikemeier: Ich würde mich nicht trauen, Kollegen Tipps zu geben, die vielleicht schon mehr Berufserfahrung haben. Aber ich denke, man neigt dazu, Dinge als gegeben hinzunehmen, die für die Studierenden am Anfang vielleicht noch nicht so verständlich sind. Sich in die Situation der Studierenden hineinzuversetzen, hilft daher auf jeden Fall und das würde ich auch jedem raten. Das ist genauso, wie es auch im Akustikgeschäft hilft, sich in die Situation des Kunden zu versetzen.
Hörakustik: Sie haben die Werbung eines Supermarktes, bei der ein Mann verschiedene Objekte zunächst mit unterschiedlichen und dann immer mit dem Adjektiv „supergeil“ beschreibt, aufgegriffen und in Anlehnung daran ein Werbevideo für Ihren Studiengang gedreht. Was hat Sie dazu bewogen, genau diese Werbung aufzugreifen?
Steffen Kreikemeier: Mein Kollege Bernhard Buschle und ich fanden die Werbung einfach super witzig. Das ist etwas komplett Frisches gewesen, was der Supermarkt zu dem Zeitpunkt gemacht hat. Zudem war ich als Studierender schon sehr zufrieden in Aalen und jetzt als Dozent finde ich es auch super vom Team und von der Ausstattung her, und da hat sich dann ergeben, dass wir in Zusammenarbeit mit dem Medienzentrum der Hochschule „supergeil“ für uns ummünzten.
Hörakustik: Wie war die Resonanz, konnten Sie sich plötzlich vor Studierenden nicht mehr retten?
Steffen Kreikemeier: Das ist jetzt noch nicht der Fall, aber das hoffe ich natürlich irgendwann einmal (lacht). Die Resonanz war allgemein sehr positiv, auch Ehemalige haben das gesehen und dann wieder den Kontakt zur Hochschule gesucht. Die Hörakustik ist dadurch mehr ins Zentrum der Aufmerksamkeit gerückt und ich glaube, das Video spiegelt auch wider, dass wir hier eine gute Ausstattung und Spaß an der Sache haben. Aber das heißt jetzt nicht, dass wir hier immer nur Blödsinn machen! Das Video soll den Studierenden auch zeigen, welche Projekte möglich sind, dass sie selber so etwas auch mal auf die Beine stellen können. Viele Studierende und Mitarbeiter von der Hochschule haben daran mitgewirkt, und dafür bin ich sehr dankbar, das macht auch nicht jeder. Insgesamt hoffen wir natürlich, dass wir den Bekanntheitsgrad dadurch erhöhen und auf Aalen aufmerksam machen können.
Hörakustik: Haben Sie ein weiteres derartiges Projekt geplant?
Steffen Kreikemeier: Ja, aber nicht im Videobereich. Ich würde das gerne intensivieren, das Drehen des Videos hat jedoch insgesamt ein Jahr gedauert. Das ist natürlich sehr intensiv, wenn man zusätzlich einer regulären Professorentätigkeit nachgeht. Da bleibt einem nicht so viel Zeit. Aber ich plane ein seriöses Informationsplakat für Leute mit Hörverlust, da ich es wichtig finde, dass man auch über innovative Informationen Werbung für sich selbst macht.
Hörakustik: Haben Sie momentan neben den Werbeaktivitäten für die Hochschule und die Lehre ein Forschungsprojekt?
Steffen Kreikemeier: Wir sind natürlich weiter an dem Bereich First Fit dran, also der initialen Anpassung. Das ist für mich auch aufgrund meiner Doktorarbeit ein Schwerpunkt, in der ich ein Verfahren zur lautheitsbasierten Perzentilanpassung, das sogenannte LPFit, entwickelt habe. Jetzt geht meine Forschung mehr in die Kombina-tion aus Anpassung und Vernetzung, Multimediabereich, also die ganzen Wireless- und Streaminggeschichten. Da haben wir noch sehr viel Potenzial, bei dem uns andere Forschungsbereiche noch unterstützen können, was beispielsweise Funksysteme und Alltagstauglichkeit in Richtung Wearables betrifft.
Hörakustik: Und wie sehen Ihre Pläne für die Zukunft aus?
Steffen Kreikemeier: Das war schon sehr überwältigend, dass sich jetzt mein Traum mit der Professur erfüllt hat und dann auch noch der Lehrpreis. Dennoch habe ich noch sehr viel vor. Man kann sich schließlich immer weiterentwickeln, in der Lehre, was das Didaktische betrifft, und auch fachlich aktuell bleiben. Das ist in der Hörakustik auch gar nicht so einfach, weil es immer wieder Neuerungen gibt. Auch möchte ich die Forschung und den Standort Aalen weiter ausbauen. Ab dem Wintersemester startet der neue Studiengang Hörakustik/Audiologie in Abstimmung mit der Bundesinnung der Hörgeräteakustiker KdöR (biha). Die Kombination Augenoptik und Hörakustik wird es in dieser Form nicht mehr geben. Jedoch ist eine Kombination der Hörakustik und Augenoptik durch ein Studium nacheinander weiterhin möglich. Durch die Umstellung kommt einige zusätzliche Arbeit auf meine Kollegen und mich zu.
Hörakustik: Vielen Dank für das Gespräch!
Monika Seidel