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Bislang galten die Grenzen für Schönheitsreparaturklauseln nur für Wohnraummietverhältnisse. Das hat sich jetzt geändert. Das Oberlandesgericht (OLG) Brandenburg hat mit dem Urteil vom 06.12.2022, Az.: 3 U 132/21 entschieden, dass für Geschäftsraummietverhältnisse nichts anderes gelten kann. Wird im vorformulierten Gewerberaummietvertrag geregelt, dass der Mieter ohne Zustimmung des Vermieters von der bisherigen Ausführungsart der Räumlichkeiten nicht abweichen darf, ist diese Regelung unwirksam. Darüber hinaus infiziert die rechtswidrige Formulierung die Schönheitsreparatur-AGBs insgesamt, sodass der Mieter bei Auszug nicht renovieren muss. Bisher wurde das nur für Wohnraummietverhältnisse angenommen.

 

Sachverhalt

In einem Gewerberaummietvertrag wurde folgende Schönheitsreparaturklausel formularmäßig vereinbart: „Alle Schönheitsreparaturen innerhalb der gemieteten Räume […] hat der Mieter fachgerecht auf seine Kosten durchführen zu lassen […]. Die Schönheitsreparaturen umfassen das Tapezieren bzw. Anstreichen von Wänden, Decken, Streichen der Heizkörper einschließlich der Heizrohre, Versorgungs- und Abflussleitungen, der Türen (Innentüren innen und außen). Der Mieter ist nicht befugt, ohne Zustimmung des Vermieters von der bisherigen Ausführungsart abzuweichen.“ Das Unternehmen erhielt vom Vermieter den vorformulieren Vertrag und mietete die Geschäftsräume zum 01.12.2009 an. Neun Jahre später kündigten die Mieter das Mietverhältnis fristgerecht zum 31.03.2019. Der Vermieter forderte die Mieter auf, die nötigen Instandsetzungen vorzunehmen und die fälligen Schönheitsreparaturen vor dem Mietende vorzunehmen. Dem kamen die Mieter nicht nach, sodass der Vermieter die Malerarbeiten zunächst auf eigene Rechnung beauftragte. Die anfallenden Kosten in Höhe von ca. 4.500 Euro machte der Vermieter nunmehr gerichtlich geltend. Das Landgericht (LG) Potsdam wies die Klage des Vermieters mit Urteil vom 11.11.2021, Az.: 4 O 134/19 ab.  

 

Entscheidungsgründe

Das OLG Brandenburg bestätigte die Auffassung der Erstinstanz, wonach durch den Mieter keine Schönheitsreparaturen an dem Mietobjekt geschuldet sind. Denn die als allgemeine Geschäftsbedingung (AGB) gestellte Vertragsklausel im Mietvertrag war unwirksam. Die bislang nur für Wohnraummietverhältnisse aufgestellte höchstrichterliche Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs (BGH) vom 11.09.2012, Az.: VIII ZR 237/11 sei auf Gewerberaummietverträge zu übertragen. Die mietvertragliche Regelung, wonach der Mieter nur mit Zustimmung des Vermieters von der bisherigen „Ausführungsart“ abweichen darf, verstößt gegen das Klarheitsgebot des § 305 c Abs. 2 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB). Das liegt daran, dass der Begriff der „Ausführungsart“ mehrdeutig und somit unklar ist. Die Bezeichnung kann sich nämlich sowohl auf die Grundausstattung als auch auf die Ausgestaltung im Einzelnen oder auf beides beziehen. Diese Bewertung gilt auch dann, wenn das Zustimmungserfordernis nur für erhebliche Abweichungen gelten soll.

 

Konsequenz: Regelung zur Schönheitsreparatur unwirksam

Die Richter erläuterten, dass für die Geschäftsraummietverträge über die Vorschrift des § 307 Abs. 1 S. 1 BGB nichts anderes gelten könne. Gerade Gewerberäumlichkeiten sind geprägt von einer entsprechenden Farb- und Materialauswahl, um Kunden positiv zu beeinflussen und einen besonderen Wiedererkennungswert zu schaffen. Mieter von Geschäftsräumen sind insofern in noch stärkerem Maße als Wohnraummieter darauf angewiesen, dass sie die Räume nach ihren Bedürfnissen gestalten können, da die Ausgestaltung der Räume oft auch Teil des Geschäftskonzepts ist. Die in dem Mietvertrag verwendete Klausel verhindert diese Gestaltungsmöglichkeit oder schränkt sie zumindest eindeutig ein. 

Ist die Schönheitsreparaturklausel teilweise unwirksam, schlägt sich das auf die gesamte Regelung durch und führt dazu, dass diese insgesamt nicht gültig ist. Das Gericht betonte, dass eine geltungserhaltende Reduktion nicht stattfindet.

Das Verbot der sogenannten geltungserhaltenden Reduktion bedeutet, dass eine teilweise unwirksame Formulierung insgesamt nicht anwendbar ist und somit nicht gilt. Es führt also gerade nicht dazu, dass sich der unwirksame Teil der Klausel auf die zulässige Formulierung reduziert und in dieser Form weiter gilt. Stattdessen führt eine unwirksame Klausel dazu, dass alle Klauseln, die sich mit dem Thema Renovierungen befassen, unwirksam sind. Das Instrument der geltungserhaltenden Reduktion soll den Vermieter davon abhalten, unwirksame Klauseln zu verwenden. Für den Vermieter besteht also stets das Risiko, dass die gesamte Klausel unwirksam wird, sobald eine Formulierung teilweise nicht rechtskonform ist. Da der Verwender der AGB die Vertragsbedingungen üblicherweise zu seinen Gunsten stellt und dadurch den Vertragspartner benachteiligt, besteht kein Grund, ihn vor den negativen Auswirkungen zu schützen. Anderenfalls würde man den Vermieter, der eine den Mieter stark benachteiligende Klausel im Mietvertrag verwendet, noch dadurch honorieren, dass ein Gericht den gesamten Vertrag auf das gerade noch Zulässige reduziert.

 

Für die Praxis

Es handelt sich um eine bedeutsame Entscheidung, da sie die Rechte der Mieter für Geschäftsräume erheblich stärkt. Die oberlandesgerichtliche Entscheidung regelt ausdrücklich, dass Unternehmer für die Anmietung von Geschäftsräumen in Bezug auf Schönheitsreparaturen ebenfalls geschützt werden. Jeder Hörakustiker, der für sein Geschäft einen Mietvertrag abgeschlossen hat, sollte prüfen, ob in diesem Mietvertrag eine vergleichbare Klausel enthalten ist. Wenn ja, bestehen gute Chancen, dass keine Schönheitsreparaturen durchgeführt werden müssen, auch nicht bei Vertragsende.

 

Schönheitsreparaturklauseln nicht generell unwirksam

Allerdings bedeutet es nicht, dass, nur weil die o. g. Klausel in der besprochenen Entscheidung unwirksam ist, sämtliche Klauseln zur Schönheitsreparatur in allgemeinen Geschäftsbedingungen nicht anwendbar sind. Es muss stattdessen genau geprüft werden, welche Formulierungen im Mietvertrag verwendet wurden. Ein Anhaltspunkt für eine unwirksame Klausel könnte beispielsweise sein, dass die Formulierung überraschend oder mehrdeutig ist. Das hätte zur Konsequenz, dass die ungewöhnliche Klausel nicht Vertragsbestandteil wird. Klauseln mit Überrumpelungs- oder Übertölpelungseffekt sollen den Vertragspartner – gewöhnlich den Mieter – nämlich nicht vertraglich binden.

 

Das Überraschungsmoment

Es stellt sich daher die Frage, wann eine Formulierung ungewöhnlich ist. Hierfür wird ein Vergleich gezogen, welche Regelung der Vertragspartner bei Vertragsschluss normalerweise erwarten würde. Nach ständiger Rechtsprechung sind in gewerblichen Mietverträgen Laufzeitverlängerungsklauseln üblich und somit i. d. R. nicht als überraschend zu bewerten. Darüber hinaus ist die Verpflichtung eines Unternehmers, als Mieter in einem Einkaufszentrum einer Werbegemeinschaft als Pflichtmitglied beizutreten, nicht ungewöhnlich.

Zu beachten ist, dass es nicht nur auf die Formulierung der jeweiligen Klausel ankommt, sondern auch die Passage der jeweiligen Regelung für die Beurteilung des Überraschungsmoments wichtig ist. Denn der Vertragspartner muss nicht damit rechnen, dass z. B. eine Schönheitsreparaturklausel unter dem Punkt Betriebskostenabrechnung versteckt ist. Ein unpassender Ort für eine Klausel ist daher genauso schädlich wie eine unzulässige Formulierung.

 

Mehrdeutigkeit

Zur Unwirksamkeit einer Klausel kann auch deren Mehrdeutigkeit führen, denn der Vertragspartei muss klar sein, welche Verpflichtung sie mit der Vertragsunterzeichnung eingeht. Sobald die Formulierung Interpretationsspielraum lässt, wie in der Ausgangsentscheidung in Bezug auf den Begriff Ausführungsart, ist dies ein Indiz dafür, dass die Regelung nicht hinreichend bestimmt ist. Die Einbeziehung mehrdeutiger Klauseln kann daher ebenfalls dazu führen, dass die Formulierung aufgrund ihrer Unzulässigkeit nicht wirksamer Vertragsbestandteil wird. Zweifel bei der Auslegung allgemeiner Geschäftsbeziehungen gehen dabei stets zulasten desjenigen, der die AGBs zum Vertragsbestandteil macht.

 

Begriff der Schönheitsreparatur

Was sind eigentlich Schönheitsreparaturen, wird sich manch ein Mieter fragen. Unter die Bezeichnung Schönheitsreparaturen fallen alle oberflächlichen Instandhaltungsmaßnahmen, mit denen normale Gebrauchs- und Abnutzungsspuren im Innenbereich des Miet­objekts beseitigt werden. Als solche Tätigkeit gilt das Tapezieren, das Anstreichen bzw. Kalken der Wände und Decken oder auch das Streichen der Fußböden, Heizkörper inklusive der Heizrohre, der Innentüren sowie der Fenster und Außentüren von innen. Darüber hinaus gelten auch notwendige Vorarbeiten zur Renovierung, beispielsweise das Schließen von Dübellöchern oder kleinerer Risse im Putz als Schönheitsreparatur. Nicht als Schönheitsreparatur ist hingegen das Streichen der Fenster von außen anzusehen oder die Entfernung von Gebrauchsflecken von Blumenkübeln im Außenbereich.

Das Urteil zum Fall lesen Sie hier.

Stephanie Graeff, Syndikusrechtsanwältin, Bundesinnung der Hörakustiker (biha) KdöR

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