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Der Bundesgerichtshof (BGH) hat in seinem Urteil vom 10.07.2024 (Az.: VIII ZR 184/23) entschieden, dass Vermieter auch verjährte Schadensersatzansprüche mit der Kaution verrechnen dürfen. Grundsätzlich können Mängel an der Mietwohnung im Wohnraummietverhältnis nur innerhalb von sechs Monaten nach dem Ende des Mietverhältnisses geltend gemacht werden. Allerdings haben Vermieter die Möglichkeit, die Kosten für Reparaturen auch nach Ablauf dieser Frist über die Kaution vom Mieter zurückzuerhalten, indem verjährte Ansprüche mit der Kaution aufgerechnet werden.

 

Sachverhalt

Eine Mieterin beendete im November 2019 das Mietverhältnis und verlangte von ihrem ehemaligen Vermieter die Rückzahlung ihrer bei Einzug entrichteten Kaution in Höhe von ca. 785 Euro. Eine Wohnungsübergabe an den Vermieter fand bei Auszug aus der Wohnung nicht statt. Stattdessen hinterlegte die Mieterin die Wohnungsschlüssel in den Briefkasten und informierte ihren Vermieter hierüber. Im Frühjahr forderte sie den ehemaligen Vermieter zur Rückzahlung der Kaution auf und mahnte den Vermieter im Mai 2020 schließlich zur Zahlung an. Sowohl das Amtsgericht (AG) Erlangen als auch das Landgericht (LG) Nürnberg-Fürth gaben der Mieterin recht. Hiergegen legte der Vermieter beim Bundesgerichtshof (BGH) Revision ein.

 

Entscheidungsgründe

Der Bundesgerichtshof hob die Entscheidung des Berufungsgerichts auf und verwies die Sache an das Landgericht zurück, um festzustellen, ob der Schadensersatzanspruch des Vermieters tatsächlich besteht. Nach Auffassung der Karlsruher Richter ist eine Aufrechnung mit verjährten Schadensersatzforderungen nämlich prinzipiell möglich. Der Vermieter ist generell gemäß § 551 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) verpflichtet, eine vom Mieter gezahlte Barkaution nach Beendigung des Mietverhältnisses zurückzuzahlen, sobald er diese zur Sicherung seiner Ansprüche nicht mehr benötigt. Schließlich soll der Vermieter die Möglichkeit haben, nach Mietende seine Ansprüche gegen den Anspruch auf Rückzahlung der Kaution zu verrechnen. Dies gilt insbesondere für zwischen den Mietparteien streitige Ansprüche.

 

Kurze Verjährungsfristen im Mietrecht

Die regelmäßige Verjährungsfrist (§ 195 BGB) von drei Jahren gilt im Mietrecht nicht. In Wohnraummietverhältnissen greift stattdessen die verkürzte Verjährungsfrist von nur sechs Monaten nach § 548 Abs. 1 BGB. Die Frist beginnt zu dem Zeitpunkt, an dem der Vermieter die Mietsache zurückerhält. Im Zivilrecht gilt der Grundsatz, dass eine Forderung nicht beglichen werden muss, wenn die Einrede der Verjährung vorgebracht wird. Allerdings hat der Gesetzgeber eine Ausnahmevorschrift geschaffen. § 215 BGB regelt, dass eine Aufrechnung möglich ist, sofern die Bedingungen für eine Aufrechnung (die sogenannte Aufrechnungslage) schon vor dem Eintritt der Verjährung vorgelegen haben. Dadurch ist es nicht möglich, sich auf die Einrede der Verjährung zu berufen, wenn der Anspruch in dem Zeitpunkt noch nicht verjährt war, in dem erstmals aufgerechnet werden konnte.

 

Wahlrecht des Vermieters

Um einen Anspruch auf Rückzahlung der Kaution mit der Forderung des Vermieters auf Schadensersatz verrechnen zu können, müssen sich zwei Ansprüche auf Geldforderungen gegenüberstehen. Ein Vermieter kann bei Beschädigung der Mietsache seinen Anspruch entweder auf Wiederherstellung der beschädigten Mietsache richten oder den dazu erforderlichen Geldbetrag vom Mieter verlangen, § 249 Abs. 2 BGB. Entscheidet sich der Vermieter für einen Geldzahlungsanspruch, macht er von seiner Ersetzungsbefugnis Gebrauch.

 

Überlegungs- und Abrechnungsfrist des Vermieters

Ein Vermieter soll die Möglichkeit haben, nach Mietende etwaige Schadensersatzansprüche wegen Beschädigung der Mietsache zu prüfen und sich entsprechend zu informieren. Daher steht dem Vermieter nach Ende des Mietverhältnisses eine sich anschließende angemessene Überlegungs- und Abrechnungsfrist zu. Die Länge dieser Frist bestimmt sich nach den Umständen des Einzelfalls. Der Vermieter darf die Abrechnung aber nicht treuwidrig verzögern, regelmäßig wird eine Frist von drei bis sechs Monaten ausreichen. Bei Mietverhältnissen über Geschäftsräume kann die Frist bis zu maximal einem Jahr betragen. Für Gewerberaummietverhältnisse gibt es allerdings keine gesetzliche Ausschlussfrist für Nachforderungen des Vermieters, wie sie bei Wohnraum gem. § 556 Abs. 3 Satz 3 BGB existieren. Der Mieter kann sich jedoch unter Umständen auf Verwirkung berufen, wenn der Vermieter eine angemessene Frist nach Ende des Abrechnungszeitraums nicht einhält.

 

Vermieter hat Zeit, Ansprüche zu prüfen

Es kommt vor, dass die Überlegungs- und Abrechnungsfrist des Vermieters länger dauert als die kurze Verjährungsfrist im Mietrecht. Der BGH hat dies bereits in der Vergangenheit bestätigt. Ein Vermieter kann auch dann mit verjährten Schadensersatzansprüchen aufgrund von Verschlechterungen der vermieteten Wohnung gegen den Rückzahlungsanspruch der Kaution aufrechnen, wenn er die Kaution des Mieters nicht innerhalb von sechs Monaten nach Beendigung des Mietverhältnisses abgerechnet hat. Dass eine Aufrechnung trotz verjährter Gegenforderung des Aufrechnenden möglich ist, liegt an der Wertung des Gesetzgebers. Der Gedanke dahinter ist, dass ein Schuldner, der selbst einen Anspruch hat, nicht dazu gezwungen werden soll, seine Forderung frühzeitig durch Aufrechnung oder Klage geltend zu machen. Um den Mieter nicht vor vollendete Tatsachen zu stellen, muss der Vermieter jedoch grundsätzlich dem Mieter die Gelegenheit geben, den Mangel an der Mietsache selbst zu beheben. Erst nach Ablauf einer angemessenen Frist zur Mangelbeseitigung kann der Vermieter die gestellte Kaution zur Deckung der entstandenen Kosten einbehalten.

 

Geld statt Reparatur

Der BGH hat nun entschieden, dass der Vermieter auch nach der eingetretenen Verjährung statt Beseitigung des Mangels den zur Reparatur erforderlichen Betrag in Geld verlangen bzw. aufrechnen kann. Die Karlsruher Richter führen aus, dass es bei Wohnraummietverträgen der Regelfall ist, dass der Vermieter keine Reparatur der beschädigten Mietsache verlangt, sondern einen Geldzahlungsanspruch, um den Mangel zu beseitigen. Dies entspricht dem Interesse des Vermieters, nach Beendigung des Mietverhältnisses eine Schadensbeseitigung in eigener Regie vorzunehmen, um beispielsweise eine möglichst zeitnahe und fachgerechte Durchführung mit dem Ziel einer nahtlosen Weitervermietung zu gewährleisten. Umgekehrt ist auch dem Mieter in der Regel bewusst, dass der Vermieter nicht direkt Schadensersatzansprüche wegen Beschädigung der Mietsache geltend macht, weil er sich durch Aufrechnung mit der zu diesem Zweck hinterlegten Kaution befriedigen kann.

 

Fazit

Für den BGH überwiegt das Interesse des Vermieters, nach Beendigung des Mietverhältnisses einfach und schnell etwaige Schadensersatzansprüche durchzusetzen, gegenüber dem Interesse des Mieters, innerhalb von sechs Monaten nach Rückgabe der Mietsache zu wissen, ob der Vermieter noch Ansprüche wegen Veränderungen oder Verschlechterungen geltend machen wird. Da bei Gewerberaummietverträgen zum Teil andere Regelungen als bei Mietverträgen von Wohnraum gelten, ist die Entscheidung allerdings nicht eins zu eins auf Gewerberaummietverträge übertragbar.  

 

Für die Praxis

Das Urteil stärkt die Position des Vermieters. Für ihn besteht die Möglichkeit, berechtigte, aber verjährte Schadensersatzansprüche mit der gestellten Kaution abzudecken. Mit der Entscheidung wird dem Vermieter mehr Zeit eingeräumt, seine Ansprüche gegen den ehemaligen Mieter zu prüfen und bei Bedarf mit der Kaution zu verrechnen. Für Mieter bedeutet das eine längere Unsicherheit über geltend gemachte Mängel und ob sie ihr Mietkautionsguthaben in voller Höhe zurückerhalten. Mieter sollten daher sorgfältig prüfen, ob alle Ansprüche des Vermieters bei Rückgabe der Mietsache berechtigt sind und gegebenenfalls Beweise für den ordnungsgemäßen Zustand der Mietsache sammeln.

 

Empfehlung: Rückgabeprotokoll

Im Idealfall sollte bei Übergabe der Mietsache ein Rückgabeprotokoll gefertigt werden. Ein Rückgabeprotokoll dient dazu, den Zustand der Mietsache bei Rückgabe zu dokumentieren und mögliche Schäden festzuhalten. Dies ist besonders wichtig, da der Mieter die Mietsache in einem Zustand zurückgeben muss, der dem vertragsgemäßen Gebrauch entspricht. Mit einem Protokoll kann späterer Streit über das Vorhandensein und die Art von Schäden an dem Mietobjekt oft vermieden werden.

 

Tipps für das Rückgabeprotokoll

Um angemessen auf verborgene oder gar versteckte Mängel zu reagieren, empfiehlt es sich vonseiten des Vermieters, vorsorglich im Protokoll einen klarstellenden Hinweis hinzuzufügen, dass sich die Protokollwirkung nur auf bei Gelegenheit der Rücknahme erkennbare Mängel bezieht. Um die Verbindlichkeit des angefertigten Protokolls zu gewährleisten, ist es ratsam, dass sowohl der Vermieter als auch der Mieter das Protokoll unterzeichnen. Ein weiterer Fallstrick, den es zu meistern gilt, ist die Frage der Beweislast. Da der Mieter nachweisen muss, dass er die Mietsache in einem vertragsgemäßen Zustand zurückgegeben hat, sollten ungenaue Formulierungen beseitigt und auf Vollständigkeit des Protokolls geachtet werden.  

 

Vertragsgemäßer Gebrauch der Mietsache

Doch nicht jede Abnutzung der Mietsache stellt eine Beschädigung dar, für die der Mieter aufzukommen hat, denn alle Beschädigungen, die auf vertragsgemäßen Gebrauch zurückzuführen sind, hat der Mieter nach § 538 BGB nicht zu vertreten und somit auch nicht zu bezahlen. Dies gilt sowohl für Wohnraummietverträge als auch für Gewerberaummietverträge. Der vertragsgemäße Gebrauch umfasst alle Veränderungen oder Verschlechterungen, die durch die übliche Nutzung der Mietsache entstehen. Beim Gewerberaummietvertrag muss berücksichtigt werden, dass der Gebrauch der Mietsache meist intensiver und vielfältiger ist als bei Wohnräumen.

 

Abgrenzung Verschleiß zu unsachgemäßer Verwendung

Als normaler Verschleiß im Geschäftsbetrieb wird beispielsweise die Abnutzung der Fußböden und Wände durch häufigen Kundenverkehr, Lagerung von Waren oder Maschinen angesehen. Gerade bei Teppichböden und Parkett lassen sich Gebrauchsspuren im Geschäftsverkehr kaum vermeiden. Obwohl im Gewerbemietrecht von einer intensiveren Nutzung der Geschäftsräume ausgegangen wird, hat auch hier der vertragsgemäße Gebrauch Grenzen. Diese Grenze wird entweder durch fahrlässige Handlungen überschritten, die zur Beschädigung führen oder durch Schäden infolge unsachgemäßer Lagerung. In Gewerberaummietverträgen können spezifische Regelungen zur Reparaturverpflichtung vereinbart werden. Jedoch darf auch hier der Risikobereich des Mieters nicht ausgehöhlt werden. Eine verschuldensunabhängige Haftung des Mieters kann – auch durch einen Individualvertrag beispielsweise – nicht vereinbart werden.

Stephanie Graeff, Syndikusrechtsanwältin, Bundesinnung der Hörakustiker KdöR (biha)

Das Urteil lesen sie hier.

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