Foto: Ilija Erceg/iStockphoto.com

In jüngster Vergangenheit haben gerichtliche Konflikte im Bereich Teleaudiologie spürbar zugenommen. Ein aktuelles Urteil des Landgerichts (LG) Frankfurt (Urteil vom 18.12.2024, Az.: 3-08 0 57/21) befasste sich in diesem Kontext mit Werbeaussagen zur Kostenerstattung durch die gesetzliche Krankenversicherung (GKV). Ein Onlinehörakustiker muss zukünftig werbliche Aussagen unterlassen, die den Verbrauchern suggerieren, dass eine Abrechnung mit der GKV nach einer ausschließlich erfolgten Onlineversorgung mit Sicherheit möglich sei, urteilte das Gericht.

 

Sachverhalt

Die Beklagte, ein Hörakustikunternehmen, das sowohl einen stationären Hörakustikbetrieb als auch eine Website betreibt, warb für den Kauf von Hörsystemen mit einem vollständig digitalen Abwicklungsprozess.

Auf ihrer Website verwendete die Beklagte die Werbeslogans „Jetzt Krankenkassenanteil sichern!“, „Fragen Sie hier direkt Ihren Krankenkassenanteil an!“ und „Sichern Sie sich hier schnell Ihren Krankenkassenanteil für bestes Hören“.

Die klägerische Partei, ebenfalls ein Hörakustikunternehmen, sah darin eine irreführende Werbepraxis. Sie argumentierte, dass die Werbeaussagen bei den Verbrauchern den Eindruck erweckten, dass ein ausschließlich online abgewickelter Kauf von Hörgeräten über die gesetzliche Krankenversicherung (GKV) abgerechnet werden könne. Dies stehe jedoch im Widerspruch zu den gesetzlichen Bestimmungen, da eine solche Abrechnung bei einem vollständig online erfolgten Kauf nicht möglich sei. Die Klägerin sprach der Beklagten deshalb eine Abmahnung aus. Da eine Unterlassungserklärung nicht unterschrieben wurde, landete der Streit schließlich vor Gericht.

 

Entscheidungsgründe

Das LG Frankfurt entschied gegen die Beklagte vollumfänglich. Es urteilte, dass die Werbeaussagen der Beklagten auf ihrer Website eine irreführende geschäftliche Handlung im Sinne des § 5 Abs. 1 und Abs. 2 Nr. 1 des Gesetzes gegen den unlauteren Wettbewerb (UWG) darstellten und verurteilte den Onlinehörakustiker auf Unterlassung der Werbeaussagen. Denn diese könnten den Verbraucher zu einer geschäftlichen Entscheidung bewegen, die er anderenfalls nicht getroffen hätte.

Nach Ansicht des Gerichts könne der Appell bezüglich des Krankenkassenanteils von den Verbrauchern dahingehend interpretiert werden, dass die Kassenleistung bei dem Erwerb eines Hörgeräts bei der Beklagten impliziert sei. Die Annahme, sich den Anteil „sichern“ oder „anfragen“ zu können, suggeriere, dass die Erstattungsfähigkeit grundsätzlich gegeben sei. Verbraucher erwarteten daher nicht, dass Krankenkassen die Erstattungsfähigkeit erst prüfen und möglicherweise ablehnen müssten, sobald sie von der kompletten Onlineabwicklung erfahren würden.

Dieses Verbraucherverständnis wich nach Auffassung des Gerichts jedoch von den rechtlichen Gegebenheiten und der tatsächlichen Abrechnungspraxis der gesetzlichen Krankenkassen ab.

So führte es aus, dass gemäß den gesetzlichen Bestimmungen und den zwischen der Bundesinnung der Hör­akustiker KdöR (biha) und den Krankenkassen geschlossenen Verträgen, denen die Beklagte beigetreten ist, eine solche Onlineabwicklung in der beworbenen Form nicht vorgesehen ist.

Die entscheidenden Paragrafen, § 33 Abs. 1 Sozialgesetzbuch (SGB) V, § 126 Abs. 1 S. 1 SGB V sowie § 127 Abs. 1 und Abs. 3 SGB V, legen etwa fest, dass die Abgabe von Hilfsmitteln, wie Hörhilfen, an Versicherte nur im Rahmen bestimmter Verträge und unter Einhaltung spezifischer Voraussetzungen erfolgen darf. So muss die Anpassung von Hörsystemen grundsätzlich in präqualifizierten Räumlichkeiten stattfinden, was im Rahmen einer ausschließlichen Onlineanpassung nicht der Fall sei.

Die Beklagte räumte dabei selbst ein, dass diese Voraussetzungen nicht erfüllt seien, verwies jedoch auf eine abweichende Abrechnungspraxis durch die gesetzlichen Krankenkassen. Hierzu trug sie vor, dass 23 Kunden, die das Onlineangebot genutzt hatten, erfolgreich eine Erstattung des Krankenkassenanteils erhalten hätten.

Im Rahmen eines Zivilprozesses liegt die Darlegungs- und Beweislast grundsätzlich bei der Partei, die sich auf für sie begünstigende Tatsachen beruft. Das Gericht führte hierzu aus, dass die angeführte Anzahl von abgewickelten Fällen jedoch als von vornherein zu niedrig angesehen wird, um eine tatsächlich abweichende Abrechnungspraxis nachweisen zu können.

Der klagende Hörakustiker legte seinerseits mehrere Schreiben verschiedener Krankenkassen vor, in denen auf Anfrage bestätigt wurde, dass eine Abrechnung im Rahmen der ausschließlichen Onlineversorgung nicht möglich ist.

Das Gericht kam daher zu dem Schluss, dass sowohl aus rechtlichen als auch aus praktischen Erwägungen eine Abrechnung mit den gesetzlichen Krankenkassen bei einer reinen Onlineversorgung nicht möglich ist und die entsprechenden Aussagen somit irreführend für die Verbraucher waren.

Das Urteil zum Fall lesen Sie hier.

Patrick Frank, Jurist, Bundesinnung der Hörakustiker KdöR (biha)

„Hörakustik“ – einfach mehr wissen

 

Impressum | Datenschutz | Kontakt | Abonnieren | Mediadaten

© 2018 hoerakustik.net