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Schwerbehinderte können von den Integrationsämtern Geldleistungen für technische Arbeitshilfen erhalten. Diese Möglichkeit eröffnet ihnen die Norm des § 185 Abs. 3 Nr. 1 lit. A SGB IX. Ob und in welcher Höhe die Integrationsämter sich an den beantragten Arbeitshilfen beteiligen, liegt dabei im Ermessen der Integrationsämter. Diese können die Kosten nach § 19 Schwerbehinderten-Ausgleichsabgabeverordnung (SchwbAV) bis zur vollen Höhe übernehmen, müssen dies aber nicht. Auch Schwerhörige können bei Überschreiten der Schwerbehinderungsschwelle einen entsprechenden Antrag auf Übernahme etwaiger Mehrkosten für das gewählte Hörsystem stellen.

Die Bundesarbeitsgemeinschaft der Integrationsämter und Hauptfürsorgestellen empfiehlt einen Eigenanteil an Hörsystemen von 20 % aufgrund der privaten Nutzbarkeit der Hörgeräte.

 

Sachverhalt

Einen solchen Antrag hatte auch ein schwerhöriger Berufsfeuerwehrmann gestellt, dem aufgrund seiner Schwerhörigkeit ein Behinderungsgrad von 50 % anerkannt worden war. Für das von ihm gewählte Hörsystem entrichtete er einen Kaufpreis von 3.728 Euro, an welchem sich seine private Krankenversicherung sowie die Beihilfe mit insgesamt 2.900 Euro beteiligten. Den Restbetrag in Höhe von 828 Euro beantragte er sodann bei seinem Inte­grationsamt. Dieses lehnte die vollständige Mehrkostenübernahme ab und verwies auf die private Nutzbarkeit der Hörsysteme: Da die Hörsysteme nicht nur beruflich, sondern auch privat genutzt werden könnten, sei ein Abschlag auf den Gesamtkaufpreis von 20 % vorzunehmen, sodass nach Abzug der bereits erhaltenen Kostenerstattung von 2.900 Euro nur noch ein Restbetrag von 82,40 Euro verbleibe. Damit beschränke sich der Kostenzuschuss des Integrationsamts auf diesen Betrag. Eine weitere Kostenübernahme lehnte das Integrationsamt ab.

Nachdem auch die Widerspruchsbehörde die Auffassung des Integrationsamts bestätigt hatte, erhob der schwerhörige Berufsfeuerwehrmann Klage vor dem Verwaltungsgericht Köln (VG Köln). Er bestritt, das neue Hörsystem privat zu nutzen. Im privaten Bereich nutze er ausschließlich sein bisheriges Hörsystem. Das neue Hörsystem verbleibe daher in seinem Arbeitsspind bei der Feuerwehr.

 

Entscheidungsgründe

Das VG Köln (Az. 7 K 115/20) wies die Klage des Berufsfeuerwehrmannes dennoch ab. Ob der Kläger das Hörsystem tatsächlich nur beruflich nutze, sei bei einem niedrigen Abschlag von lediglich 20 % irrelevant. Das Integrationsamt durfte sich hier pauschal auf die bloße Möglichkeit der privaten Nutzbarkeit beziehen, da sich die konkrete Art der Nutzung im Zeitpunkt des Antrags noch nicht feststellen lasse. Allerdings sei es schwer nachvollziehbar, dass der Kläger seine Hörgeräteversorgung zweimal am Tag ohne erkennbare Notwendigkeit wechsele und sich im privaten Bereich freiwillig auf die alten, technisch unterlegenen Hörsysteme beschränke. Zudem sei es durchaus möglich, dass der Kläger die neuen Hörsysteme zwar nicht von Anfang an privat nutze, sich die private Nutzung aber im Laufe der Nutzungs-dauer ergebe.

Das VG Köln bestätigte zudem, dass bei einer Kostenübernahme des Inte­grationsamts Abschläge vorgenommen werden dürfen. Wie bereits dem Wortlaut des § 19 SchwbAV entnommen werden kann, können die Kosten für technische Arbeitshilfen bis zur vollen Höhe übernommen werden. Eine vollständige Kostendeckung werde somit gesetzlich nicht gefordert.

 

Für die Praxis

Erreicht eine Schwerhörigkeit den Grad einer Schwerbehinderung, kann ein Antrag beim Integrationsamt durchaus sinnvoll sein. Dieser Antrag bezieht sich in der Regel auf den verbleibenden Mehrkostenbetrag – nach Abzug der Leistungen durch die gesetzliche Krankenversicherung (GKV) bzw. private Krankenversicherung (PKV) sowie ggf. Beihilfe und Rentenversicherung. Es sollte aber stets beachtet werden, dass die beantragte Geldleistung nach § 185 Abs. 3 Nr. 1 lit. A SGB IX im Ermessen des angerufenen Integrationsamts liegt. Dieses beachtet bei seiner Entscheidung die Empfehlungen der Bundesarbeitsgemeinschaft der Integrationsämter und Hauptfürsorgestellen (BIH-Empfehlungen), welche in Ziffer 2.3.4 für Hörsystemversorgungen einen Eigenanteil in Höhe von 20 % des Anschaffungspreises aufgrund der privaten Nutzbarkeit der Hörgeräte berücksichtigen. Vor einem Antrag an das Integrationsamt sollte daher mit dem um 20 % geminderten Kaufpreis gerechnet werden: Erst wenn von diesem Betrag nach Abzug der Leistungen durch GKV bzw. PKV sowie ggf. Beihilfe und Rentenversicherung noch ein Restbetrag verbleibt, macht ein Antrag an das Integrationsamt überhaupt Sinn. Und auch dann liegt die Entscheidung über die Bezuschussung im freien Ermessen des Integrationsamts. Der Kunde sollte daher stets willens und auch in der Lage dazu sein, das gewünschte Hörgerät notfalls auch ohne Bezuschussung des Integrationsamts erwerben zu können.

Das Urteil zum Fall lesen Sie hier.

Alexandra Gödecke, Position, Bundesinnung der Hörakustiker KdöR

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