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Das Bundeselterngeld- und Elternzeitgesetz (BEEG) gibt Arbeitgebern die Möglichkeit, den Erholungsurlaub ihrer Arbeitnehmer für jeden vollen Kalendermonat einer genommenen Elternzeit um ein Zwölftel zu kürzen (Paragraf 17 Abs. 1 Satz 1 BEEG). Welchen Rahmenbedingungen diese Kürzungsmöglichkeit unterliegt und wie es um den Verfall von Urlaubsansprüchen in der Elternzeit bestellt ist, beleuchtet eine Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts vom 19.03.2019 (BAG 9 AZR 495/17).

 

Sachverhalt

Im Prozess stritt eine Arbeitnehmerin mit ihrem ehemaligen Arbeitgeber über die Urlaubsabgeltung für die Jahre 2011 bis 2015. Die klagende Mitarbeiterin war seit 2005 als Bürokauffrau beschäftigt. In ihrem ursprünglichen Arbeitsvertrag war ein Jahresurlaub von 27 Arbeitstagen vorgesehen. Zuletzt standen ihr 30 Arbeitstage Urlaub zu. Nach der Geburt ihrer Tochter am 28.08.2010 nahm die Arbeitnehmerin vom 24.10.2010 bis zum 23.10.2012 eine erste Elternzeit. Diese verlängerte sie bis zum 23.10.2013. Für ihren am 15.05.2013 geborenen Sohn beantragte sie dann während der ersten Elternzeit eine zweite Elternzeit vom 15.05.2013 bis zum 14.05.2016. Die klagende Arbeitnehmerin kündigte ihr Arbeitsverhältnis zum Ende der Elternzeit am 14.05.2016. Mit Schreiben vom 22.07.2016 verlangte sie von ihrem Arbeitgeber die Abgeltung von insgesamt 70 Arbeitstagen Urlaub für die Kalenderjahre 2014 bis 2016. Dieser wies die Ansprüche unter Hinweis auf die Kürzungsmöglichkeit nach Paragraf 17 I 1 BEEG zurück. Die ehemalige Mitarbeiterin legte Klage ein und forderte schließlich auch noch für die Jahre 2011 bis 2015 die Abgeltung von jeweils 30 Arbeitstagen Urlaub.

Der beklagte Arbeitgeber gab vor Gericht an, dass der arbeitsvertraglich vereinbarte Urlaub der Mitarbeiterin zwar im Jahr 2010 auf 29 Arbeitstage, aber erst im Jahr 2015 auf 30 Arbeitstage erhöht worden sei. Bereits in 2010 habe man gegenüber der Arbeitnehmerin eine Kürzungserklärung nach Paragraf 17 Abs 1 Satz 1 BEEG abgegeben. Im Übrigen vertrat der Arbeitgeber die Ansicht, die Kürzung des Urlaubs könne auch noch nach der Beendigung des Arbeitsverhältnisses erklärt werden. Zudem seien die Urlaubsansprüche der Klägerin für volle Kalenderjahre der Elternzeit jeweils am 31.03. des auf das Urlaubsjahr folgenden Jahres verfallen gewesen. Das erstbefasste Arbeitsgericht sprach der Klägerin nur einen Anspruch auf Abgeltung des Teilurlaubs für das Jahr 2016 zu und hat die Klage im Übrigen abgewiesen. Das zuständige Landesarbeitsgericht als Berufungsgericht hat das Rechtsmittel der Arbeitnehmerin zurückgewiesen. Mit ihrer Revision beim Bundesarbeitsgericht hatte die Arbeitnehmerin jedoch Erfolg. Dieses hob die vorhergehenden Entscheidungen auf und verlangte weitere Sachaufklärung.

 

Entscheidungsgründe

 

Das Bundesarbeitsgericht beschäftigte sich zunächst mit der Frage, ob die geltend gemachten Urlaubsansprüche nicht zum größten Teil verfallen seien. Grundsätzlich stellte es dabei fest, dass auch in der Elternzeit gemäß den Vorgaben des Bundesurlaubsgesetzes (BUrlG) Urlaubsansprüche entstehen, da es sonst der Verkürzungsregelung des Bundeselterngeld- und Elternzeitgesetzes gar nicht bedürfte. Nach Paragraf 17 Abs. 3 BEEG hat der Arbeitgeber, wenn das Arbeitsverhältnis während der Elternzeit endet oder es im Anschluss an die Elternzeit nicht mehr weitergeführt wird, noch nicht gewährten Urlaub abzugelten. Dies, so das Bundesarbeitsgericht, entspreche der Bestimmung in Paragraf 7 Abs. 4 BUrlG, nach der Urlaub abzugelten ist, wenn er wegen der Beendigung des Arbeitsverhältnisses ganz oder teilweise nicht mehr gewährt werden kann.

Spannend war jedoch die Frage, ob auch die Regelung des Paragrafen 7 Abs. 3 Satz 3 BurlG zur Anwendung kommt. Gemäß dieser Vorschrift muss Urlaub im Fall einer Übertragung in den ersten drei Monaten des folgenden Kalenderjahres gewährt und genommen werden. Wird der Urlaub in diesem Zeitfenster nicht genommen, verfällt er. Dies hatte auch noch das Landesarbeitsgericht angenommen und der Klägerin die Urlaubsansprüche aus den Jahren 2011 bis 2015 versagt ‒ falsch, so die klare Aussage des Bundesarbeitsgerichts. Die Verfallsregelung des Bundesurlaubsgesetzes finde während der Elternzeit keine Anwendung, denn das Bundeselterngeld- und Elternzeitgesetz treffe hierzu eigene Regelungen. Paragraf 17 Abs. 2 BEEG legt fest, dass wenn ein Arbeitnehmer den ihm zustehenden Urlaub vor dem Beginn der Elternzeit nicht oder nicht vollständig erhalten hat, der Arbeitgeber den Resturlaub nach der Elternzeit im laufenden oder im nächsten Urlaubsjahr zu gewähren hat. Die Vorschrift regele somit eine Ausnahme von dem Grundsatz, dass der Erholungsurlaub im laufenden Kalenderjahr gewährt und genommen werden müsse. Paragraf 17 Abs. 1 BEEG wiederum regelt, dass der Arbeitgeber den Erholungsurlaub, der dem Arbeitnehmer für das Urlaubsjahr zusteht, für jeden vollen Kalendermonat der Elternzeit um ein Zwölftel kürzen kann. Die Vorschrift entkopple somit den grundsätzlich der Kürzung unterliegenden Urlaubsanspruch vom Urlaubsjahr und nehme ihn somit von einem Verfall nach Paragraf 7 Abs. 3 BUrlG während der Elternzeit aus. Der Gesetzgeber habe für den Fall des Zusammentreffens von Elternzeit und Urlaub ein nach Zeitabschnitten differenzierendes Regelungssystem geschaffen. Paragraf 17 Abs. 2 BEEG beziehe sich dabei auf den vor Beginn der Elternzeit noch nicht oder nicht vollständig erhaltenen Urlaub. Paragraf 17 Abs. 1 Satz 1 BEEG deckt mit seiner Verkürzungsregelung die Zeit in der Elternzeit ab. Zusammen würden somit die Bestimmungen des Paragrafen 17 BEEG eine abschließende Sonderregelung für die mit der Elternzeit im Zusammenhang stehenden Urlaubsansprüche darstellen. Für die Verfallsfristen des Bundesurlaubsgesetzes bestünde daher während der Elternzeit kein Raum mehr.

Das Bundesarbeitsgericht stellte auch, unter Berücksichtigung der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs (EuGH) fest, dass die Verkürzungsmöglichkeit des Paragrafen 17 Abs. 1 BEEG im Einklang mit dem Unionsrecht stehe, eine Frage, die lange umstritten war. Der EuGH hat aber hierzu eindeutig entschieden, dass Zeiten des Elternurlaubs anspruchsmindernd bei der Berechnung des Jahresurlaubs berücksichtigt werden dürfen.

Nachdem feststand, dass in der Elternzeit entstehende Urlaubsansprüche nicht automatisch verfallen, beschäftigte sich das Bundesarbeitsgericht mit dem Fragenkomplex, wie und wann ein Arbeitgeber den Anspruch auf Erholungsurlaub kürzen kann. Grundsätzlich sei hierfür eine zielgerichtete, rechtsgeschäftliche Erklärung erforderlich, die dem Arbeitnehmer wirksam zugehen muss. Die Kürzungserklärung könne dabei ausdrücklich oder auch stillschweigend abgegeben werden. Dazu reiche es aus, dass dem Arbeitnehmer – abweichend von seinem Urlaubsverlangen – nur der gekürzte Urlaub gewährt wird oder für ihn erkennbar ist, dass der Arbeitgeber sein Kürzungsrecht ausüben will.

Zum zeitlichen Aspekt führte das Bundesarbeitsgericht aus, dass der Anspruch auf Erholungsurlaub bei Zugang der Kürzungserklärung noch bestehen müsse. Daran fehle es aber, wenn das Arbeitsverhältnis beendet sei und der Arbeitnehmer Anspruch auf Urlaubsabgeltung habe. Das Bundesarbeitsgericht betonte, dass das Gesetz allein den Erholungsurlaub der Kürzungsbefugnis des Arbeitgebers unterstelle, nicht dagegen den Abgeltungsanspruch. Zwar wandle sich mit Beendigung des Arbeitsverhältnisses der Urlaubsanspruch nach Paragraf 7 Abs. 4 BurlG in einen Anspruch auf Abgeltung des noch nicht erfüllten Urlaubs um, dieser unterliege aber nicht der Kürzung nach Paragraf 17 Abs 1 Satz 1 BEEG. Trotz des gemeinsamen Ursprungs bestehe zwischen dem Urlaubs- und dem Urlaubsabgeltungsanspruch keine Identität, die ein Kürzungsrecht auch noch nach Beendigung des Arbeitsverhältnisses bedingen könne. Die Beendigung des Arbeitsverhältnisses bilde vielmehr eine Zäsur, die nicht nur die gegenseitigen Hauptleistungspflichten, sondern auch den Anspruch auf den bezahlten Jahresurlaub betreffe. Denn zum einen kann ab der rechtlichen Beendigung des Arbeitsverhältnisses der Arbeitnehmer nicht mehr zu Erholungszwecken unter Fortzahlung seines Arbeitsentgelts von der Arbeitspflicht freigestellt werden. Als reiner Geldanspruch hänge die Erfüllbarkeit des Abgeltungsanspruchs auch nicht von der Arbeitsfähigkeit oder einer bestimmten Arbeitspflicht des Arbeitnehmers ab und unterliege zudem nicht den Fristregelungen des Bundesurlaubsgesetzes. Da auf den Abgeltungsanspruch die Regelungen für den ursprünglichen Erholungsurlaub nicht anwendbar sind, gelte dies auch für das Kürzungsrecht nach Paragraf 17 Abs. 1 BEEG.

Im bestehenden Arbeitsverhältnis könne, so das Bundesarbeitsgericht, der Arbeitgeber sein Kürzungsrecht vor, während und nach dem Ende der Elternzeit ausüben, nicht jedoch vor der Erklärung des Arbeitnehmers, Elternzeit in Anspruch zu nehmen. Der Arbeitgeber könne sein Wahlrecht erst dann sinnvoll ausüben, wenn er wisse, dass und für welchen Zeitraum Elternzeit in Anspruch genommen werden soll. Die Kürzungsbefugnis setze somit ein Elternzeitverlangen voraus, durch das der Umfang und die zeitliche Lage der Elternzeit festgelegt werde. Unter Berücksichtigung dieser Grundsätze habe der Arbeitgeber den Urlaub der Klägerin aus den Jahren 2011 bis 2015 nicht mehr durch eine Erklärung nach der zum 14.05.2016 eingetretenen Beendigung des Arbeitsverhältnisses kürzen können. Da das Landesarbeitsgericht aber keine Feststellungen dazu getroffen hatte, ob und gegebenenfalls wann der Urlaub noch im bestehenden Arbeitsverhältnis wirksam durch den Arbeitgeber gekürzt wurde, hat das Bundesarbeitsgericht entschieden, dass dies in einem erneuten Berufungsverfahren zu klären sei.

 

Für die Praxis

Auch in der Elternzeit erwerben Arbeitnehmer Urlaubsansprüche. Für diese gelten nicht die Verfallsregelungen des Urlaubs aus der aktiven Beschäftigungszeit. Durch das Bundesarbeitsgericht wurde klargestellt, dass das Kürzungsrecht des Arbeitgebers nach Paragraf 17 Abs. 1 Satz 1 BEEG nur im bestehenden Arbeitsverhältnis durch Abgabe einer empfangsbedürftigen, rechtsgeschäftlichen Erklärung ausgeübt werden kann. Dabei kann der Urlaub vor, während und nach dem Ende der Elternzeit gekürzt werden, jedoch nicht vor der präzisierten Erklärung des Arbeitnehmers, Elternzeit in Anspruch zu nehmen. Nach Beendigung des Arbeitsverhältnisses ist eine Urlaubskürzung nicht mehr möglich. Für die im Lauf der Elternzeit erworbenen Urlaubsansprüche besitzen allgemeine Regelungen zum Verfall im Arbeitsvertrag keine Gültigkeit, da sie vor dem Elternzeitverlangen liegen. Es empfiehlt sich daher, dass die Kürzungserklärung des Arbeitgebers im Rahmen seiner Bestätigung der Inanspruchnahme von Elternzeit gegenüber dem Arbeitnehmer erfolgt.

Das Urteil zum Fall lesen Sie hier.

Christian Behrendt • biha

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