Foto: AdobeStock/Alexander Limbach

Eine niederländische Versandapotheke darf Kunden mit einem Gewinnspiel nicht dazu verleiten, dass der Kunde das Rezept bei ihr statt bei der Konkurrenz einlöst. Werbung dieser Art beeinflusse Verbraucher bei relevanten Gesundheitsentscheidungen unsachlich, entschied der Bundesgerichtshof (BGH) mit Urteil vom 18. November 2021, Az. I ZR 214/18.

Das Verbot der Werbung mit aleatorischen Reizen nach § 11 Abs. 1 Satz 1 Nr. 13 HWG soll verhindern, dass die Spielleidenschaft zum Absatz von Arzneimitteln ausgenutzt wird.

 

Sachverhalt

Die Versandapotheke DocMorris warb im März 2015 deutschlandweit mit einem Flyer für ein „Großes Gewinnspiel“. Als Hauptpreis lockte ein Gutschein für ein E-Bike im Wert von 2.500 Euro. Für die Platzierungen zwei bis zehn gab es je eine neue elektrische Zahnbürste. Voraussetzung für die Teilnahme an der Verlosung war das Einsenden eines Rezepts. Mit dem Slogan „Jetzt Rezept einsenden und gewinnen!“ wurden Kunden dazu aufgefordert, an dem veranstalteten Gewinnspiel teilzunehmen. Die Berufsvertretung der Apotheker im Bezirk Nordrhein hielt die Werbung für wettbewerbswidrig und mahnte die niederländische Apotheke erfolglos ab, sodass Klage geboten war. Nachdem die erste Instanz die Klage noch abgewiesen hatte, untersagte das Oberlandesgericht (OLG) Frankfurt am Main mit Urteil vom 26.07.2018, Az. 6 U 112/17, die Veranstaltung eines Gewinnspiels in dieser Art und Weise. Nach Befragung des Europäischen Gerichtshofs (EuGH) bestätigte der BGH nun die Auffassung des Oberlandesgerichts.

 

Entscheidungsgründe

Der Bundesgerichtshof schloss sich der Auffassung der klagenden Apothekerkammer an. Die obersten Zivilrichterinnen und -richter ließen offen, ob in der Gewinnspielwerbung ein Verstoß gegen die Preisbindung für verschreibungspflichtige Arzneimittel liegt. Unabhängig davon verstößt DocMorris mit der Werbeaktion gegen das Verbot der Wertreklame des § 7 Abs. 1 Satz 1 Heilmittelwerbegesetz (HWG). Ein Unterlassungsanspruch gemäß § 3a Gesetz gegen unlauteren Wettbewerb (UWG), § 11 Abs. 1 Satz 1 Nr. 13 HWG besteht hingegen nicht, da nicht ersichtlich ist, dass das Preisausschreiben einer unzweckmäßigen oder übermäßigen Verwendung von Arzneimitteln Vorschub leistet.

Nach § 7 Abs. 1 Satz 1 Halbsatz 1 HWG ist es unzulässig, Zuwendungen und sonstige Werbegaben (Waren oder Leistungen) anzubieten, anzukündigen oder zu gewähren oder als Angehöriger der Fachkreise anzunehmen, es sei denn, es liegt einer der in § 7 Abs. 1 Satz 1 Halbsatz 2 HWG gesetzlich geregelten Ausnahmefälle vor. Die oben genannte Vorschrift stellt eine Marktverhaltensregel dar, da sie dem Gesundheitsschutz der Verbraucher dient. Die Norm bezweckt also, dass die Werbung im Bereich der Heilmittel eingeschränkt wird, um die abstrakte Gefahr einer unsachlichen Beeinflussung auszuschließen. Es soll damit der Gefahr entgegengewirkt werden, dass Verbraucher sich bei der Entscheidung, ob und gegebenenfalls welche Heilmittel sie in Anspruch nehmen, nur für einen bestimmten Anbieter entscheiden, weil die Aussicht auf Sachpreise besteht.

Das Gericht bezog in seine Überlegungen auch mit ein, ob das Werbeverbot mit aleatorischen Reizen nach § 11 Abs. 1 Satz 1 Nr. 13 HWG den Anwendungsbereich des § 7 Abs. 1 Satz 1 HWG, dem Verbot des Angebots, der Ankündigung oder der Gewährung von Werbegaben, ausschließt. Dies ist jedoch nicht der Fall. Die beiden genannten Vorschriften regeln Verbote unterschiedlicher Formen einer unsachlichen Beeinflussung, sodass ihr Anwendungsbereich nicht deckungsgleich ist. Das Verbot der Werbung mit aleatorischen Reizen nach § 11 Abs. 1 Satz 1 Nr. 13 HWG soll verhindern, dass die Spielleidenschaft zum Absatz von Arzneimitteln ausgenutzt wird. Die Vorschrift des § 7 Abs. 1 Satz 1 Halbsatz 2 Nr. 1 HWG erfasst stattdessen den Fall der Gefahr einer unsachlichen Beeinflussung durch den Wert einer Werbegabe.

Eine Gewinnspielwerbung, bei der die Möglichkeit besteht, bei Einreichung eines Rezepts bei einem Gewinnspiel teilzunehmen, ist nach Auffassung des BGHs eindeutig produktbezogen. Berücksichtigt man das Gesamterscheinungsbild der Werbeaktion, steht nicht die Darstellung des Unternehmens im Vordergrund, sondern die Anpreisung bestimmter oder zumindest individualisierbarer Produkte. Insofern handelt es sich bei der streitgegenständlichen Werbemaßnahme um Absatzwerbung und nicht um allgemeine Firmenwerbung. Denn nur weil die Werbung sich auf ein gesamtes Warensortiment des Unternehmens bezieht, schließt das nicht automatisch eine Produkt- und Absatzwerbung aus. Stattdessen bedeutet das sogar, dass die Reklame gerade für eine besonders große Anzahl von Artikeln gilt. Außerdem bestätigte der Senat die Auffassung des Berufungsgerichts, dass in der Möglichkeit zur Teilnahme an einem Gewinnspiel eine Werbegabe im Sinne von § 7 Abs. 1 Satz 1 HWG liegt. Die Frage, was eine Werbegabe ist, ist aus der Sicht des Empfängers zu beurteilen. Die durchschnittlich angesprochenen Verbraucher sehen in der Teilnahmemöglichkeit an einem Gewinnspiel eine nicht berechnete geldwerte Vergünstigung mit der Folge, dass die Werbegabe dem Heilmittelwerberecht unterfällt.

Zudem dient die Gewinnspielwerbung des Unternehmens der Förderung des Verkaufs von verschreibungspflichtigen Arzneien und beeinflusst dadurch die Kunden unsachlich. Es kann nämlich nicht ausgeschlossen werden, dass ein Verbraucher nur aufgrund des Gewinnspiels bei der Versandapotheke eine Bestellung aufgibt. Der Käufer könnte hierbei völlig außer Acht lassen, dass der Erwerb eines Medikaments bei einer stationären Apotheke seinen persönlichen Bedürfnissen mehr entspricht. Bei einem Kauf im stationären Fachgeschäft bestehe immer die Möglichkeit, unaufgefordert beispielsweise zu Wechselwirkungen mit anderen Arzneimitteln beraten zu werden. Diese Möglichkeit verwehren sich die Verbraucher, indem sie der Anlockwirkung des Gewinnspiels unterliegen, ohne dabei die damit einhergehenden Nachteile zu berücksichtigen. Bei Versandapotheken besteht der Nachteil, dass sie nur telefonisch und auf ausdrückliche Nachfrage beraten dürfen. Für den Kunden kann es allerdings entscheidend sein, dass er bei Einlösung des Rezepts unaufgefordert beraten wird. Demzufolge handelt es sich bei der Kundenentscheidung, das Rezept in der Apotheke vor Ort oder bei einer Versandapotheke einzulösen, um eine relevante Entscheidung für die Gesundheit. Das berücksichtigt auch die Zielsetzung des Heilmittelwerbegesetzes, wonach eine solche Entscheidung nicht durch aleatorische Reize (Teilnahmemöglichkeiten an Gewinnspielen, Preisausschreiben etc.) beeinflusst werden soll.

Zu guter Letzt liegt auch kein Ausnahmefall des § 7 Abs. 1 Satz 1 Halbsatz 2 HWG vor. Die Teilnahmemöglichkeit an dem Gewinnspiel stellt weder eine geringwertige Kleinigkeit dar, noch handelt es sich um einen zu berechnenden Geldbetrag, der vergünstigt gewährt wird. Das liegt daran, dass der Wert eines Gewinnspiels in der durch Teilnahme bestehenden Chance auf den Gewinn liegt. Dass die Versandapotheke in den Niederlanden ihren Sitz hat, war für die vorliegende Entscheidung nicht relevant. Das Heilmittelwerbegesetz gilt unterschiedslos für alle Apotheken, die in Deutschland Arzneimittel verkaufen. Da das Verbot von Gewinnspielen im Heilmittelwerberecht auch die herkömmlichen Apotheken betrifft, liegt auch keine Schlechterstellung von Versandapotheken vor.

 

Für die Praxis

Bei Gewinnspielwerbung ist es wichtig, zwischen Imagewerbung und Absatzwerbung zu unterscheiden. Feiert ein Hörakustiker beispielsweise ein Sommerfest und veranstaltet an dem Tag ein Gewinnspiel, an dem alle Gäste unabhängig von einem Einkauf teilnehmen können, handelt es sich hier um einen klassischen Fall der Imagewerbung. Die Werbung für eine solche Feier verstößt nicht gegen das Heilmittelwerberecht, da das Gewinnspiel nicht im Zusammenhang mit einer Absatzförderung wie z. B. einer Hörsystemversorgung beworben wird. Imagewerbung wird oft als Unternehmenswerbung bezeichnet, weil die Werbemaßnahme den Betrieb als solchen bewirbt. Es kommt also bei dieser Form der Werbung wesentlich darauf an, dass keinerlei Bezug zu einem konkreten Hörsystem oder anderen Medizinprodukten enthalten ist. Die Frage, wann reine Unternehmenswerbung vorliegt, kann sich teilweise schwierig gestalten und hängt von den Umständen des Einzelfalls ab. Für die Beurteilung kommt es u. a. auf die Gestaltung der Werbemaßnahme an. Maßgeblich ist, wie die Werbeaussage im Kontext zur übrigen Werbung verstanden wird und ob ergänzende inhaltliche Hinweise vorgenommen wurden. Ob die Werbeaktion als Imagewerbung aufgefasst wird oder als Maßnahme mit dem Ziel der Absatzförderung, richtet sich bei Publikumswerbung nach der Interpretation des sogenannten Durchschnittsverbrauchers. In der Hörakustik ist als Durchschnittsverbraucher der klassische Kunde eines Hörakustikers zu verstehen.

Veranstalter von Gewinnspielen müssen bei der Ausgestaltung ferner darauf achten, dass die Grenze zum Glücksspiel nicht überschritten wird. Von Glücksspielen mit geldwertem Einsatz, einschließlich Lotterien und Wetten, ist dringend abzuraten. Denn die ungenehmigte Veranstaltung von Glücksspielen sowie die Werbung dafür sind nach § 284 Strafgesetzbuch (StGB) strafbar. Des Weiteren liegt in einem Verstoß gegen § 284 StGB auch ein Verstoß gegen eine Marktverhaltensregel i.  S.  d. § 3 a UWG, sodass ebenfalls eine Abmahnung drohen kann.

Möchte ein Betrieb ein Gewinnspiel veranstalten, muss das Unternehmen alle Teilnehmenden und Interessenten über die Teilnahmebedingungen informieren. Das bedeutet konkret, dass die Teilnahmebedingungen rechtzeitig, klar und eindeutig mitgeteilt werden müssen. Auf diese Weise soll sichergestellt werden, dass Verbraucher sich vor der Teilnahme an dem Gewinnspiel umfassend über die Rahmenbedingungen informieren können. Sofern eine Werbemaßnahme ein Gewinnspiel lediglich ankündigt und unmittelbar noch keine Teilnahme möglich ist, beispielsweise, weil ein Gewinnspiel auf einem Flyer oder auf einem Poster beworben wird, sind noch keine vollständigen Teilnahmebedingungen mitzuteilen. Dann ist es grundsätzlich ausreichend, auf die firmeneigene Website zu verweisen, auf der die vollständigen Teilnahmebedingungen einsehbar sind. Idealerweise wird in der Werbung direkt die exakte Internetpräsenz genannt, auf der die Rahmenbedingungen stehen. Im Fall von Onlineaktionen bietet sich ein Link zu den Teilnahmebedingungen an, die sich dann in einem PDF oder einer vergleichbaren Form öffnen und auch abspeichern lassen. Auch hier gilt aber wieder die Redewendung: keine Regelung ohne Ausnahme. Gibt es bei dem Gewinnspiel eine unerwartete Beschränkung oder eine sonstige überraschende Teilnahmebedingung, muss bereits unmittelbar in der Werbung hierauf hingewiesen werden. Gängige Regelungen wie das Erfordernis eines Wohnsitzes in Deutschland, ein Mindestalter von 18 Jahren oder die Begrenzung auf eine Person pro Haushalt sind mit dieser Ausnahme nicht gemeint.

Das Urteil zum Fall lesen Sie hier

Stephanie Graeff, Syndikusrechtsanwältin, Bundesinnung der Hörakustiker (biha) KdöR

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